Vipassana-Meditation


Luang Por Ajahn Sumedho

mmIm spirituellen Yoga wird die Vertiefung in den Samadhi als ein erstrebenswertes Ziel angesehen, ähnlich, jedoch weniger ausgeprägt, wie wir es im Buddhismus erleben. Im Unterschied dazu wird im Buddhismus das Thema der Leidbefreiung deutlich stärker hervorgehoben. Dennoch bleibt die Erlösung von Leiden in beiden Traditionen der zentrale Antrieb für die Praxis.
mmLaut den Schriften war es jedoch nicht die Leidbefreiung, auf die der Buddha nach seiner Erleuchtung zunächst hinwies; vielmehr sprach er darüber, was er erkannt hatte. Die Überlieferung berichtet, dass der Buddha nach seiner Erleuchtung, während er sich auf dem Weg zu seinen ersten Anhängern befand, vom Asketen Upaka angesprochen wurde. Dieser fragte nach der Quelle der beeindruckenden Ausstrahlung des Buddhas, woraufhin der Buddha erklärte, dass er ein Erleuchteter und Vollendeter sei und die Wahrheit in sich selbst verwirklicht habe. Diese Antwort hinterließ bei Upaka einen skeptischen Eindruck, und er setzte seinen Weg fort.
mmObgleich nicht alle buddhistischen Richtungen dies in gleichem Maße zum Ausdruck bringen, beziehen sich doch alle auf die erste Lehrrede des Buddha. In dieser Rede (Dhammacakkappavattana-Sutta) erklärte der Buddha die vier edlen Wahrheiten. Diese Wahrheiten beginnen mit der Erkenntnis des Leidens, seiner Ursachen und seines Endes, gefolgt von dem Weg, wie man sich vom Leiden befreien kann. Dies stellt eines der grundlegenden Themen der Vipassana-Meditation dar – die Erlösung von Leiden. Der Buddha betonte häufig, dass dort, wo das Leiden keinen Halt finden kann, das höchste Glück zu entdecken sei. Dies manifestiert sich im befreiten Geist und bildet ein weiteres zentrales Element dieser Praxis, diesen Geist zu verwirklichen. Dennoch ist dieser befreite Geist nicht tatsächlich abwesend; er ist vielmehr die unveränderliche Realität oder, wie mein Lehrer Ajahn Sumedho es formuliert, reines Bewusstsein, identisch mit bedingungsloser Liebe.
mmWird dieser Geist einmal erkannt, so wird die Richtung unserer Reise klar und gemäß den Lehren Buddhas wird sie zu einem Ziel führen, dessen Erreichung nicht länger als sieben Lebenszeiten in Anspruch nehmen wird. Um dies zu verstehen, ist es erforderlich, die Wiedergeburt zu akzeptieren. Durch das Erkennen dieses Geistes entfaltet sich ein tiefes spirituelles Wissen, das zum inneren Mentor wird. Es ist vergleichbar mit einer Reise, bei der wir von einem Hügel aus zum ersten Mal unser Ziel erblicken. Zwar werden wir uns wieder ins Tal begeben und durch Dinge, die verlockend erscheinen, das Ziel aus den Augen verlieren. Doch wenn wir erkennen, dass diese Dinge nicht das bieten, was sie versprechen, verlieren wir unser Interesse daran. Mit wachsender Zuversicht, da wir den Ort kennen, an dem schmerzhafte Enttäuschungen nicht mehr existieren, setzen wir unseren Weg fort.
mmVipassana-Meditation wurde vom Buddha gelehrt, um zu lernen, zwischen dem, was durch Anhaftung entsteht und vergeht, und dem, was nicht entsteht und nicht vergeht, zu unterscheiden. Dieses Wissen stellt eine nahezu unvergleichliche Unterstützung dar, um Leiden zu überwinden. Zunächst erkennen wir, dass wir nicht wirklich leiden; vielmehr ist das Leiden ein Produkt von Ursachen, die einfach entstanden sind. Zudem wird uns zunehmend bewusst, dass diese Ursache im Geist durch unterbewusstes Denken erschaffen wird. Oft sind wir uns dessen nicht einmal bewusst, wenn wir leiden, und viele Menschen glauben fälschlicherweise, dass Leiden normal sei oder noch bedauerlicher, dass wir leiden müssen. Diese Unkenntnis wird als Ursache für das Leiden betrachtet, das wir ablegen können.
mmVipassana-Meditation erweist sich während eines Retreats als nützlich, um dem Geist eine Auszeit oder eine Phase der Ruhe zu ermöglichen. Auch in der modernen Psychotherapie gewinnt das Prinzip der Achtsamkeit zunehmend an Bedeutung. Dies ist zweifellos positiv und unterstützend. Für viele Individuen wäre es äußerst wertvoll, den Sinn und die Relevanz der Tugenden Pāramī als vorbereitende Elemente zu begreifen. Diese Tugenden tragen dazu bei, negative Neigungen unserer Persönlichkeit auszugleichen und innere positive Kräfte zu entfalten. Ajahn Chah, der Lehrer von Ajahn Sumedho, äußerte es folgendermaßen: "Auch wenn wir ein tiefes Verständnis dieser Lehre haben, es bleibt noch die Vervollkommnung der Pāramī." Denn genau diese Tugenden fördern die Entwicklung von Selbstwahrnehmung und Achtsamkeit und bewahren uns vor unnötigem Leiden.
mmEs ist eine merkwürdige Zeit, in der wir leben, und aus spiritueller Perspektive betrachtet, könnte man sagen, dass wir uns in einer Phase des Wandels befinden. Auch im Westen gab es in der Vergangenheit immer wieder Persönlichkeiten wie Meister Eckehard oder Juan de la Cruz, die sich dessen bewusst wurden, was die unveränderliche geistige Realität darstellt. Dies betrachte ich als das Wesentliche dessen, was Christus zu vermitteln suchte. Hierbei handelt es sich um den Hinweis auf die ewige geistige Wirklichkeit, die mit einer nicht-anhaftenden Liebe gleichzusetzen ist. Dennoch wurden solche Menschen nicht selten von den damaligen Machthabern zum Schweigen gebracht oder sogar der Blasphemie beschuldigt. Die Aufklärung hat glücklicherweise vieles zum Positiven gewendet. In der Zwischenzeit konnten im fernen Osten diese Einsichten in einem Klima der spirituellen Toleranz gedeihen. Heutzutage geschieht es auch im Westen, dass Menschen sich nicht auf einen bestimmten Glauben stützen, sondern auf ihre eigenen Erfahrungen zurückgreifen, um diese uralten Weisheiten zu erfahren und weiterzugeben.

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