Näheres zu den Übungen



mmAllgemein
mmWenn ich hin und wieder mit Personen spreche, die kaum Kenntnisse über Yoga Übungen haben, höre ich häufig, wie schwer es für sie erscheinen mag, die Yogapositionen aus den Medien nachzuahmen. Doch das, was mir über Yoga beigebracht wurde und was ich heute lehre, konzentriert sich vor allem auf das bewusste Entspannen und Loslassen. Auch im Schlaf erleben wir Entspannung, doch im Yoga nehmen wir diese Entspannung bewusst wahr. Dies ist von großer Bedeutung, denn sowohl Yoga als auch Buddhismus sind Disziplinen des Bewusstseins. Eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Begriff des Bewusstseins würde den Rahmen einer kurzen Einführung sprengen. Wenn wir jedoch unser alltägliches Verhalten genauer betrachten, können wir feststellen, wie oft wir agieren oder an Dinge denken, ohne uns dessen wirklich bewusst zu sein. Oft geschieht dies also unbewusst. Dies ist jedoch ganz normal, da unsere gewohnte Lebensweise darauf ausgerichtet ist, dass wir hauptsächlich an der Außenwelt interessiert sind.
mmEs gibt jedoch Gründe, die unsere Aufmerksamkeit auf uns selbst lenken. Sowohl Yoga als auch der Buddhismus beschreiben diese Gründe als körperliche und psychische Schmerzen. Es handelt sich um Erlebnisse, die uns dazu bewegen, nach Wegen zu suchen, die unser Unbehagen verringern. Genau an diesem Punkt setzt Yoga an, indem es uns ermöglicht, wachsam und achtsam mit uns selbst umzugehen. Yoga bedeutet verbinden, ähnlich wie zwei Ochsen in einem Gespann durch ein Joch miteinander verbunden sind. Im Yoga geht es darum, das bewusste Wahrnehmen mit der gegenwärtigen Erfahrung zu verknüpfen.
mmEs existieren unterschiedliche Formen von Yoga, die alle ein gemeinsames Ziel verfolgen. Nämlich durch gezielte Achtsamkeit innere Balance und Gelassenheit zu fördern. Im Westen ist Hatha-Yoga am weitesten verbreitet. Hierbei wird das Ziel durch körperliche Übungen und Atemtechniken angestrebt, die im Folgenden kurz erläutert werden. Darüber hinaus gibt es Karma-Yoga - den Pfad des uneigennützigen Handelns. Bhakti-Yoga - den Weg der Hingabe an das Höhere. Jnana-Yoga - den Pfad der Analyse und Unterscheidung geistiger Prozesse, ähnlich wie es in der buddhistischen Vipassana-Meditation praktiziert wird. Zudem finden sich Raja-Yoga, Kriya-Yoga, Kundalini-Yoga, Nada-Yoga, Swara-Yoga, Laya-Yoga und viele weitere Ansätze.



mmBuddhismus und Yoga
mmAls ich anfing, mich für buddhistische Meditation zu interessieren, stieß ich bald auch auf Yogaübungen. Diese verfolgten jedoch hauptsächlich das Ziel einer körperlichen Fitness. Durch mein vertieftes Studium des Yoga wurde mir später die Ähnlichkeit zwischen diesen beiden Praktiken bewusst.
mmSowohl im Yoga als auch im Buddhismus steht das Erkennen im Vordergrund. Es geht nicht darum, an eine Idee oder ein Konzept zu glauben; vielmehr ist es die Erfahrung, die wir durch das Praktizieren sammeln. Solche Erfahrungen stellen dann wahres Wissen dar. Wenn uns jemand erzählt, dass ein Apfel süss sei, wissen wir dies nur aus zweiter Hand, doch erst durch das Kosten des Apfels erfahren wir es wirklich. Um genau diese Art von Wissen geht es.
mmBuddhistische Vipassana-Meditation unterstützt dabei, sowohl äußere als auch innere Ereignisse klarer zu erkennen und die Herausforderungen zu begreifen, die in solchen Ereignissen nicht selten erfahrbar sind. Ein Verständnis für diese Herausforderungen zu entwickeln, eröffnet uns die Möglichkeit, Lösungen zu finden. Da in uns häufig unbewusste Spannungen schlummern, tragen die Yogaübungen dazu bei, solche Spannungen abzubauen und die Selbstwahrnehmung zu fördern. Auch sind die Praktiken des Yoga besonders geeignet, um den Körper auf die Meditationshaltung vorzubereiten.
mmDie enge Verbindung dieser beiden Wege wurde mir besonders deutlich während meines Aufenthalts an der Bihar School of Yoga im Norden Indiens. Dort vermittelte uns das spirituelle Oberhaupt Swami Niranjanananda gelegentlich Einsichten betreffend dem yogischen Konzept von Pratyahara (das Loslösen von sinnlichen Eindrücken). Zu meiner Überraschung bemerkte ich, dass psychologische Ansätze, die für Vipassana-Meditation charakteristisch sind, auch im Yoga zu finden sind.
mmEinmal erklärte er uns, wie der Kreislauf von immer wieder auftretenden negativen Gewohnheitsmuster überwunden werden kann. Im Yoga wird dies citta-vritti-nirodha genannt. Er veranschaulichte diese Zyklen auf eine Weise, die dem Verständnis von paticca-samuppada im Buddhismus ähnelt. Unter den Buddhisten gibt es eine lebhafte Debatte darüber, wie paticca-samuppada interpretiert werden sollte. Einige beziehen sich auf die Auslegung von Acariya Buddhaghosa, einem Gelehrten des 5. Jahrhunderts, während andere die spätere Sichtweise von Ajahn Buddhadasa, der im 20. Jahrhundert lebte, heranziehen. So wie Swami Niranjanananda das Unterbrechen dieser Zyklen dargestellt hat, entspricht es der Art und Weise, wie paticca-samuppada später von Ajahn Buddhadasa interpretiert wurde. Ajahn Buddhadasa verbrachte einige Jahre in Indien, und ich habe keinen Zweifel, dass er sich intensiv mit den dortigen Swamis ausgetauscht hat. (Weitere Informationen zu diesen Namen und Begriffen sind leicht über eine Internet-Suchmaschine zu finden.)



mmAsana
mmAsana bedeutet Sitz und ist im Yoga der zentrale Begriff für sämtliche Körperhaltungen. Eine der entscheidenden Wirkungen einer Yogastellung ist die Entspannung, die durch das Dehnen erreicht wird. Jeder Muskel im Körper hat grundsätzlich eine Aufgabe, nämlich die Kontraktion oder das Anspannen. Die Entspannung erfolgt danach automatisch. Da wir uns in der Regel zu wenig Zeit für die Entspannung nehmen, verbleiben viele Muskeln oft unbewusst in einer leichten Spannung. Diese Spannungen tragen wir meist unbemerkt in uns und sie beeinflussen unser allgemeines Wohlbefinden. Wir erleben dies dann über die Psyche als angespannte Gefühle und verwirrte Gedanken. Durch das Dehnen von Körperteilen können solche Spannungen gelöst werden.
mmAsanas haben zudem weitere positive Effekte. Sie unterstützen die Korrektur von Fehlhaltungen im Skelett, insbesondere an der Wirbelsäule und den Gelenken. Muskeln werden gestärkt und die Flexibilität des Körpers erhöht sich. Eine verbesserte Durchblutung der Organe sowie eine Aktivierung des Stoffwechsels erfolgen. Die Lungen entspannen sich und das Atemvolumen wird vertieft, was zu einer erhöhten Sauerstoffzufuhr zum Gehirn führt. Darüber hinaus, und dies ist im Hatha-Yoga von großer Bedeutung, wird ein Gleichgewicht zwischen den Aktivitäten beider Hirnhälften hergestellt. Um sich im Gleichgewicht zu fühlen, ist dies eine grundlegende Voraussetzung.



mmPranayama
mmDies sind Atemübungen und werden üblicherweise nach einer Serie von Asanas gemacht. Prana heisst Energie und ayama heisst Erweitern oder Ausdehnen.
mmIn der stillen Meditation, wenn wir innerlich ruhig werden, wird auch der Atem ruhig, manchmal kaum spürbar. Doch bevor dies geschehen kann, müssen die Atemorgane lernen, entspannt und ausgeglichen zu atmen. Dies ist der Sinn von Pranayama.
mmYoga hat das Wissen, dass der Atem und das innere Wohlbefinden miteinander eng verbunden sind und sich gegenseitig beeinflussen. Dies lässt sich leicht nachweisen: Versuche einmal die Aufmerksamkeit während etwa 10 Atemzüge auf den Atem zu fokussieren. Gelingt dies, wirst du danach wahrscheinlich zwei Dinge feststellen: Der Atem wurde tiefer und die Gedanken ruhiger.
mmNicht selten haben wir schlechte Atemgewohnheiten. Die Atmung ist dann flach oder unruhig und Ein- und Ausatmung sind unregelmässig. Ähnliches werden wir dann auch in der Qualität unserer Gedanken und Gefühle finden. Pranayamas helfen, solche schlechten Gewohnheiten zu korrigieren.
Ein wesentlicher Aspekt liegt im Ausgleichen von Prana oder Aktivität beider Hirnhemisphären. Damit sind wir beim eigentlichen Sinn von Hatha-Yoga.
Im Hatha-Yoga geht es um das Harmonisieren und Ausgleichen von zwei wesentlichen Faktoren unseres Wesens. Einfach gesagt, ist dies das Ein- und Ausatmen, das Konsumieren und Verdauen, das Aufnehmen und Abgeben auf allen Ebenen, also körperlich, psychisch und geistig. Es ist das Ha - Tha, das Yang - Yin, das Männliche - Weibliche usw.
mmAllgemein glauben wir, Glücksein entstehe durch das Konsumieren von Dingen. Nun aber sagen Buddhismus und Yoga, Glücksein verlasse uns eigentlich nie, vielmehr wird es überschattet. Wenn wir nun lernen, nur das Nötige zu konsumieren, dann lässt sich dies auch leicht wieder verarbeiten oder verdauen. Auf natürliche Weise finden wir dann leicht zu unserem Grundwesen zurück. Unser Grundwesen ist heiter und gelassen, ist weder weiblich noch männlich, ist vielmehr stille, wache Gegenwart und ist OM oder Tao. Wenn wir dies tun, werden wir immer wieder Momente erleben, während denen unser geistiges Grundwesen heiter durch unser Bewusstsein scheinen kann. Solche Momente sind sehr gesund und haben eine wegweisende Wirkung.



mmMudra und Bandha
mmDurch das Praktizieren von Hatha-Yoga werden Blockaden der Energie beseitigt und Entspannung gefördert. Dies führt zu einem ungehinderten Fluss der inneren Energie - Prana. Zudem wird das Bewusstsein geschult und erweitert. Durch Mudras und Bandhas werden die beiden Aspekte Prana und Bewusstsein miteinander verbunden und fokussiert.
mmEine Mudra hat durch eine bestimmte Handhaltung Einfluss auf den Pranakörper, wodurch Prana und Bewusstsein miteinander vereint werden. Die traditionelle Auslegung von Mudra bedeutet, etwas Angenehmes zu verbinden oder zu versiegeln.
Eine Mudra kann in Kombination mit Asana, Pranayama oder Bandha geübt werden, häufig handelt es sich jedoch um eine spezielle Haltung der Hände und Finger.
mmEin Bandha hat ebenfalls eine Wirkung auf den Pranakörper. Durch ein Bandha wird ein bestimmter Abschnitt entlang der Wirbelsäule zusammengezogen und blockiert. Dadurch wird das Prana in diesen Bereich geleitet und konzentriert.
mmMudra und Bandha beeinflussen den Pranakörper, sodass Prana und Bewusstsein vom Peripheren in die Mitte entlang der Wirbelsäule geleitet werden. Damit sind wir bei der tantrischen Philosophie angekommen, in der die psychischen Zentren entlang der Wirbelsäule als Chakren dargestellt werden. Hatha-Yoga und die tantrische Philosophie stehen in enger Verbindung. Hier sollten auch Kriya-Yoga und Kundalini-Yoga erwähnt werden, bei denen durch gezielte innere Bewegungen das Bewusstsein in diesem Bereich vertieft wird. Das Bewusstsein wird dadurch über den Pranakörper angeregt, um zurückzukehren in den Zustand von Samadhi. Auch im Tiefschlaf befindet sich das Bewusstsein im Zustand von Samadhi, allerdings schlafend und unbewusst.
mmDurch das Üben von Yoga erwacht das Bewusstsein und gelangt über den Pranakörper in eine Involution. Yoga wird als eine Involution betrachtet, während die Welt als Evolution verstanden wird. Der Rückweg zur Involution entsteht aus einer Sättigung an weltlichen Erfahrungen. Vielen Menschen ist diese Involution bekannt, doch sind sie sich dessen oft nicht wirklich bewusst. Wenn uns dies klar wird, werden wir nach einem Weg suchen, um diese Involution bewusst zu fördern. Wir werden dann einen spirituellen Pfad einschlagen.



mmYoga-Nidra
mmDies bedeutet psychischer Schlaf, bei dem der Körper in einen schlafähnlichen Zustand versetzt wird und die Gedanken zur Ruhe kommen. Die Wahrnehmung bleibt dabei aktiv und wird durch verbale Anleitung von den grobstofflichen bis zu den feinstofflichen Aspekten unseres Seins geleitet und verbunden. Die Verbindung zwischen bewusster Wahrnehmung und der gegenwärtigen Erfahrung ist das Herzstück von Yoga. Dies bezieht sich auf alle Erlebnisse, egal ob sie angenehm oder unangenehm sind. Da wir oft dazu neigen, uns dem Angenehmen zuzuwenden und das Unangenehme zu meiden, entstehen Spannungen in der Psyche. Diese Spannungen hindern das Bewusstsein daran, den Zustand von Samadhi zu erreichen, was im spirituellen Yoga eines der zentralen Ziele ist. Durch das Praktizieren von Yoga-Nidra werden solche Spannungen abgebaut. Yoga-Nidra ist keine Visualisierung oder Meditation, sondern eine Entspannungsübung, wodurch das Bewusstsein lernt, einen ungehinderten Zugang zu allen Aspekten unseres Seins zu finden.
mmMenschen weisen unterschiedliche Vorlieben auf. Einige besitzen ein größeres Bewusstsein für den Körper, andere mehr für ihre Gefühle, wieder andere mehr für das Denken oder das Spirituelle. Damit das Bewusstsein auf natürliche Weise den Zustand von Samadhi erreichen kann, müssen solche Vorlieben losgelassen werden. Spannungen im Pranakörper, die durch Vorlieben und Anhaftungen entstehen, werden durch Yoga-Nidra verringert.
mmKörperliche und psychische Spannungen beeinflussen die Energiezentren entlang der Wirbelsäule. Diese Zentren werden im Tantra als Chakras bezeichnet und sind mit den Nervenzentren sowie Hormondrüsen verbunden. Swami Satyananda Saraswati verstand die Prinzipien des Tantra und entwickelte daraus Yoga-Nidra.
mmTantra besagt, dass in diesen Zentren das Erbgut der Evolution verborgen ist. Beispielsweise durchläuft ein Embryo in seiner Entwicklung im Mutterleib alle Phasen der Evolution. In diesen Zentren spiegelt sich ein Plan der Evolution wider. Wenn wir während des Yoga-Nidra ein Symbol verwenden, aktiviert dies diese Zentren. Beispielsweise steht das Symbol Wasser oder ein Tier, das im Wasser lebt, in Verbindung mit dem Sakralplexus, welcher für Nieren, Blase und Sexualorgane zuständig ist. Oder mit dem Solarplexus korrespondieren Symbole wie Feuer usw.
Allerdings ist wichtig, dass solche Symbole im Yoga-Nidra korrekt und ausgewogen angewendet werden. Werden sie falsch angewendet, bewirken sie evtl. genau das Gegenteil des Übens und verursachen psychische Spannungen. Eine längere Unterwasserreise beispielsweise ist ungeeignet, da dies Erinnerungen an Atemnot triggert und dann im Unterbewusstsein Unbehagen auslöst. Solche extremen Symbole sollten im Yoga-Nidra nur von erfahrenen Lehrenden eingesetzt werden.
mmBeim Üben der stillen Meditation, bei der sinnliche Eindrücke über einen längeren Zeitraum minimiert werden, kann das Bewusstsein ganz natürlich zu seinem Ursprung zurückfinden. Dies kann nur geschehen, wenn zum einen das Bewusstsein von der phänomenalen Welt nicht wieder gefangen wird und ebenso, wenn unverarbeitete Erinnerungen aus der Vergangenheit wie Traumata und Phobien genügend verarbeitet sind. Solche Erinnerungen sind oftmals ins Unterbewusstsein verdrängt und Yoga-Nidra unterstützt dabei, Verdrängtes bewusst zu machen, um es verarbeiten zu können.
mmYoga-Nidra unterstützt also das Bewusstsein, die Verbindung zu tiefen Bereichen unserer Psyche zu finden. Es eignet sich daher hervorragend, einen bewussten positiven Vorsatz (Sankalpa), ähnlich einem Samen, in die Psyche einzubringen. Wenn dann die Zeit reif ist, wird dieses Sankalpa beginnen zu wachsen und dazu beitragen, dass ein positiver Vorsatz in Erfüllung gehen kann.

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